Wenn ich meine, dass mir (oder jemand anderem) Unrecht geschieht, wenn ich mich "im Recht" fühle - dann kann ich ganz schön explodieren! Ziemlich deutlich und leider meistens nicht sehr freundlich tue ich dann meine Meinung kund und bin dabei nicht selten verletzend. Naturgemäß passiert das am häufigsten in der eigenen Familie oder bei besonders nahestehenden Menschen. Ich habe auch schon in der Öffentlichkeit sehr resolut meinen Standpunkt vertreten... Leider brauche ich einige Zeit, bis ich mich wieder beruhigt habe, nicht mehr beleidigt, bockig oder nachtragend bin. Ein wirkliches Vorbild beim Thema Vergebung ist mir mein Mann. Denn wenn er sagt, dass es wieder ok ist, dann meint er es auch so und hat das Thema abgehakt und vergessen. Das liegt sicherlich in seinem phlegmatischen Temperament begründet und da jeder Mensch anders gestrickt ist, kann ich mich auch nicht mit ihm vergleichen. Aber ich durfte in dieser Hinsicht schon viel von ihm lernen. Allerdings habe ich auch einige Jahre gebraucht, bis ich ihm wirklich glauben konnte! Denn wenn man selbst erlernt und erlebt hat, das Vergebung zwar ausgesprochen wurde, aber trotzdem vieles immer wieder aufgewärmt und nachgetragen wird, dann ist man entsprechend anders konditioniert und misstrauisch.
Es fällt mir relativ leicht meinen Kindern zu vergeben. Bei meinem Mann und engeren Freunden fällt es mir manchmal schon etwas schwerer. Gegenüber meiner Mutter bin ich teilweise wirklich unbarmherzig oder lieblos-gleichgültig. Aber am schwersten vergebe ich mir selbst: meine eigenen Fehler, Schwächen, Unzulänglichkeiten und Eigenarten. Deshalb habe ich im vergangenen Jahr ja auch so viel über das Thema Gnade erfahren und lernen dürfen. Ich bin sehr dankbar, dass Gott mir genau an diesem Punkt immer wieder seine Liebe, Gnade und Vergebung zeigt. Eine große Hilfe ist mir dabei nicht mehr von mir selbst zu verlangen, dass ich es schaffe. Sondern dass ich Gott darum bitte, mir den Wunsch und das Gelingen dazu zu geben. Ich berufe mich auf die Verheißung, dass nicht mehr ICH lebe, sondern Christus IN mir lebt, dessen Kraft mir zur Verfügung steht und die in mir am Wirken ist. Dadurch erlebe ich, wie sich Dinge von selbst erledigen, klären und verändern. Ohne bewusste Anstrengung meinerseits. Ich brauch nur meine Bereitschaft und Verfügbarkeit Gott hinzulegen. Dann kann ich quasi seinem Wirken zuschauen. Und so habe ich es auch am vergangenen Wochenende erleben dürfen: Ich bin mit Groll im Herzen und mit einer ungeklärten Situation im Gepäck in dieses Wochenende gefahren. Wollte es vergessen und ignorieren, vor der Situation davon laufen. Ich habe mir quasi selbst das Recht zugestanden unversöhnlich zu sein. Und da, ähnlich wie Jona, wurde mir sehr deutlich (wenn auch wesentlich angenehmer und bequemer!) gezeigt, worauf es Gott ankommt und wo ich Gehorsam lernen soll. Eine Antwort auf meine Fragen und Gebete. Eine Antwort, die ich so nicht erwartet hätte. Eine Erziehungsmaßnahme Gottes - liebevoll auf mich zugeschnitten. Eine Bestätigung dessen, was in Jesaja 30,18a und 19b steht:
Der Herr sehnt sich danach, euch gnädig zu sein. Bald wird er zu euch kommen und sich wieder über euch erbarmen, denn er ist ein gerechter Gott. Wie glücklich sind alle, die auf seine Hilfe warten!
Der Herr wird euer Rufen erhören und euch in Liebe antworten.
Gott hört, wenn ich mich mit meinen Anliegen an ihn wende. Er antwortet. Immer. Manchmal schnell und eindeutig. Manchmal erst sehr viel später und kaum wahrnehmbar. Aber er ist mein himmlischer, liebevoller Vater, der sich danach sehnt, dass sein Kind zu ihm auf den Schoß klettert und ihm erzählt, "wie es heute war". Der sich danach sehnt, mir zu helfen, mich zu trösten, zu erziehen und der Mensch zu werden, den er sich ausgedacht hat. Diese Erkenntnis macht mich sehr glücklich. Sie motiviert mich und stärkt mein Vertrauen in ihn. Jede Erfahrung die ich mit meinem Gott machen darf, verschönert, ja veredelt mein Leben. Die Umsetzung muss noch erfolgen - bis jetzt ist der Erkenntnis noch nicht die Tat gefolgt. Aber auch dabei darf ich gelassen sein und an der Hand meines Vaters einen Schritt nach dem anderen gehen.
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