Ich möchte lernen, besser mit ihnen auszukommen - mit schwierigen
Menschen – oder korrekter formuliert: mit Menschen die ich als schwierig
empfinde. Solange es sich um die Kassiererin an der Kasse, den Autofahrer vor
mir oder die Nachbarin neben mir handelt ist es einfach nur nervig. Aber mir nahestehende
Menschen? Da ist es schon wesentlich schwieriger dauerhaft Liebe, Geduld und
Barmherzigkeit walten zu lassen. Ich wünschte SIE würden sich ändern. Werden
sie aber – höchstwahrscheinlich – nicht. Also muss ich, mal wieder, mich
ändern: mein Denken, meine Bewertungen, mein Umgang mit ihnen und mir selbst um
mich zu entspannen und zu entlasten.
Was finde ich schwierig? Momentan ertrage ich es kaum bis
gar nicht mehr, wenn jemand ständig jammert aber Hilfe ablehnt, bzw. nichts zur
Veränderung oder Erleichterung seiner Situation beiträgt. Wenn dauerhaft meine
Grenzen überschritten werden – und ich es zulasse. Wenn sich immer wieder
dieselben Menschen in den Mittelpunkt stellen und ihnen jegliche
Selbstwahrnehmung und Fähigkeit zur Selbstkritik fehlt.
Zu mindestens erlebe und empfinde ich diese Menschen so. Aber
kein Mensch ist immer nur schwierig –
24 Stunden am Tag. Und kein Mensch ist für
alle anderen Menschen schwierig. (Selbst ich nicht.) Außerdem ist der
andere nicht schwierig, sondern er verhält sich schwierig – für mich.
Ich erlebe den Umgang mit diesem Menschen als
schwierig.
Ich frage mich also: Wann verhält sich der andere auf eine
Art und Weise, die ich als schwierig empfinde? Und wie sieht das genau aus? Was
nervt mich? Und warum beziehe ich das Verhalten des anderen auf mich? Denn:
Was mich am anderen stört, sagt mehr über mich aus
und das, was ich brauche, als über ihn.
Kerstin Hack
und das, was ich brauche, als über ihn.
Kerstin Hack
Ich möchte mich bei Ärger fragen: Was stört mich? Was hätte
der andere anders machen oder sagen sollen? Was erwarte ich? Was fühle ich?
Ärger hat mehr mit meinem Denken zu tun als mit meinen Emotionen. Hinter der „Tür“
des Ärgers verbergen sich oft ganz
andere Gefühle: Enttäuschung, Hilflosigkeit, Wut, Verachtung, Traurigkeit, usw.
Wenn ich weiß, was ich fühle, bin ich einer Lösung schon viel näher. Dann merke
ich was mir fehlt und was ich brauche.
Und dann kann und muss ich selbst dafür sorgen, dass meine Bedürfnisse erfüllt
werden. Ich kann sie mir selbst erfüllen oder andere um Hilfe bitten.
Das kann folgendermaßen
aussehen:
1.
Ich beschreibe die mich belastende Situation
klar: „In den letzten fünfzehn Minuten hast du ausschließlich über andere
gesprochen.“
2.
Ich benenne meine eigenen Gefühle: „Ich fühle
mich sehr unwohl dabei.“
3.
Ich benenne mein Bedürfnis: „Ich möchte nicht
über andere sprechen und meine Meinung zu Dingen äußern, die ich mich nichts
angehen.“
4.
Ich äußere meine Bitte klar und konkret: „Bitte
hör auf damit, ich möchte das nicht.“
Diese Form der Kommunikation würde allen Regeln der Kunst
entsprechen und ist der Idealfall. Dahin möchte ich kommen, das nehme ich mir
vor, das will ich einüben. Denn bisher habe ich mich entweder von der
schwierigen Person zurückgezogen – sie also mit Liebes- oder
Aufmerksamkeitsentzug „bestraft“ und dabei innerliche Mauern hochgezogen: ich
habe im wahrsten Sinn des Wortes „dicht“ gemacht. (Am besten ignorieren; über mich ergehen lassen; den Mund halten und mir
meinen Teil denken. …) Das macht mich innerlich kalt und hart; lieblos und
selbstgerecht. Das schadet mir selbst am meisten und der Beziehung sowieso. Das
möchte ich nicht mehr. Ich möchte stattdessen streiten lernen! Ich möchte für etwas streiten, kämpfen und mich
einsetzen: mehr Ehrlichkeit und Offenheit. Ich möchte kongruent sein.
Folgendes kann eine mögliche, hilfreiche Strategie sein:
1. Man
beschreibt die schwierige Situation neutral ohne Anklage und Bewertung: „Es ist offensichtlich, dass du Schmerzen
hast und es dir nicht gut geht. Ich sehe, wie schwer dir jeder Schritt fällt.“
2. Anschließend
werden die eigenen Gefühle benannt: „Es
fällt mir sehr schwer das mit anzusehen und ich fühle mich hilflos und das
macht mich wütend.“
3.
Und dann das eigene Bedürfnis: „Ich würde dir gerne helfen, aber ich weiß
nicht was und wie.“
4. Abschließend
wird noch eine konkrete Bitte formuliert: „Bitte
sag mir ehrlich, ob du dir von mir Hilfe erhoffst und wie diese konkret
aussehen soll. Dann kann ich besser entscheiden ob ich dir in dieser Form
helfen kann.“
(Eine echte Bitte ist übrigens immer offen. Sie lässt dem
anderen die Möglichkeit nicht darauf
einzugehen.)
Ich empfinde bestimmte Menschen auch deshalb als schwierig,
weil sie häufig meine Grenzen überschreiten. Sie sagen oder tun Dinge, die ich
als unangemessen empfinde. Doch persönliche Grenzen sind individuell und völlig
subjektiv. Deshalb liegt es in meiner
Verantwortung sie klar zu formulieren und zu setzen.
Grenzen zu benennen und sie zu beschützen kann
folgendermaßen gehandhabt werden:
1. Ich
kann den anderen freundlich und klar auf eine Grenze aufmerksam machen: „Fällt dir auf, dass du dich gerade
eingemischt hast, obwohl ich gar nicht mit dir gesprochen habe?“
2. Ich
kann eine konkrete Bitte formulieren: “Das
betrifft dich jetzt nicht. Kannst du dich bitte da raus halten?“
3. Oder
eine noch deutlichere Forderung stellen: „Ich
erwarte von dir, dass du mich ausreden lässt und mir zuhörst.“
4. Letztendlich
hilft manchmal nur Konsequenzen zu ziehen: „Da
du dich weiterhin in unser Gespräch einmischt möchte ich es lieber an einem
anderen Ort ohne dich fortsetzen.“
Ich bin nicht besser als andere. Vor allem lasse ich vieles
viel zu lange zu und unterstütze dadurch ungesunde Beziehungsmuster und
krankmachende Systeme. Und ich bin auch und mindestens genauso schwierig für
andere. Was nicht bedeutet, dass ich mich unbedingt falsch verhalte. Sondern
das ich ihre Bedürfnisse nicht erfülle. Wenn jemand mit mir unzufrieden ist und
das auch benennt, sagt das zunächst etwas über ihn und seine Bedürfnisse aus. Das kann ich zunächst einmal wahrnehmen und
mich dann fragen, ob ich seine Bedürfnisse erfüllen kann und möchte.
Diese „Impulse, besser
mit schwierigen Menschen auszukommen“, habe ich dem gleichnamigen
Impulsheft von Kerstin Hack entnommen. Ich war sehr froh es zur Hand nehmen zu
können, als ich es dringend brauchte und diese wertvollen Gedanken knapp und
präzise dort formuliert zu finden.
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