Montag, 28. April 2014

Schwierige Menschen

Ich möchte lernen, besser mit ihnen auszukommen - mit schwierigen Menschen – oder korrekter formuliert: mit Menschen die ich als schwierig empfinde. Solange es sich um die Kassiererin an der Kasse, den Autofahrer vor mir oder die Nachbarin neben mir handelt ist es einfach nur nervig. Aber mir nahestehende Menschen? Da ist es schon wesentlich schwieriger dauerhaft Liebe, Geduld und Barmherzigkeit walten zu lassen. Ich wünschte SIE würden sich ändern. Werden sie aber – höchstwahrscheinlich – nicht. Also muss ich, mal wieder, mich ändern: mein Denken, meine Bewertungen, mein Umgang mit ihnen und mir selbst um mich zu entspannen und zu entlasten. 

Was finde ich schwierig? Momentan ertrage ich es kaum bis gar nicht mehr, wenn jemand ständig jammert aber Hilfe ablehnt, bzw. nichts zur Veränderung oder Erleichterung seiner Situation beiträgt. Wenn dauerhaft meine Grenzen überschritten werden – und ich es zulasse. Wenn sich immer wieder dieselben Menschen in den Mittelpunkt stellen und ihnen jegliche Selbstwahrnehmung und Fähigkeit zur Selbstkritik fehlt.

Zu mindestens erlebe und empfinde ich  diese Menschen so. Aber kein Mensch ist immer nur schwierig – 24 Stunden am Tag. Und kein Mensch ist für alle anderen Menschen schwierig. (Selbst ich nicht.) Außerdem ist der andere nicht schwierig, sondern er verhält sich schwierig – für mich.
Ich erlebe den Umgang mit diesem Menschen als schwierig. 

Ich frage mich also: Wann verhält sich der andere auf eine Art und Weise, die ich als schwierig empfinde? Und wie sieht das genau aus? Was nervt mich? Und warum beziehe ich das Verhalten des anderen auf mich? Denn:
Was mich am anderen stört, sagt mehr über mich aus
 und das, was ich brauche, als über ihn. 
Kerstin Hack
Ich möchte mich bei Ärger fragen: Was stört mich? Was hätte der andere anders machen oder sagen sollen? Was erwarte ich? Was fühle ich? Ärger hat mehr mit meinem Denken zu tun als mit meinen Emotionen. Hinter der „Tür“ des  Ärgers verbergen sich oft ganz andere Gefühle: Enttäuschung, Hilflosigkeit, Wut, Verachtung, Traurigkeit, usw. Wenn ich weiß, was ich fühle, bin ich einer Lösung schon viel näher. Dann merke ich  was mir fehlt und was ich brauche. Und dann kann und muss ich selbst dafür sorgen, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden. Ich kann sie mir selbst erfüllen oder andere um Hilfe bitten. 

Das kann folgendermaßen aussehen:
1.       Ich beschreibe die mich belastende Situation klar: „In den letzten fünfzehn Minuten hast du ausschließlich über andere gesprochen.“
2.       Ich benenne meine eigenen Gefühle: „Ich fühle mich sehr unwohl dabei.“
3.       Ich benenne mein Bedürfnis: „Ich möchte nicht über andere sprechen und meine Meinung zu Dingen äußern, die ich mich nichts angehen.“
4.       Ich äußere meine Bitte klar und konkret: „Bitte hör auf damit, ich möchte das nicht.“

Diese Form der Kommunikation würde allen Regeln der Kunst entsprechen und ist der Idealfall. Dahin möchte ich kommen, das nehme ich mir vor, das will ich einüben. Denn bisher habe ich mich entweder von der schwierigen Person zurückgezogen – sie also mit Liebes- oder Aufmerksamkeitsentzug „bestraft“ und dabei innerliche Mauern hochgezogen: ich habe im wahrsten Sinn des Wortes „dicht“ gemacht. (Am besten ignorieren; über mich ergehen lassen; den Mund halten und mir meinen Teil denken. …) Das macht mich innerlich kalt und hart; lieblos und selbstgerecht. Das schadet mir selbst am meisten und der Beziehung sowieso. Das möchte ich nicht mehr. Ich möchte stattdessen streiten lernen! Ich möchte für etwas streiten, kämpfen und mich einsetzen: mehr Ehrlichkeit und Offenheit. Ich möchte kongruent sein. 

Folgendes kann eine mögliche, hilfreiche Strategie sein:
1.       Man beschreibt die schwierige Situation neutral ohne Anklage und Bewertung: „Es ist offensichtlich, dass du Schmerzen hast und es dir nicht gut geht. Ich sehe, wie schwer dir jeder Schritt fällt.“
2.       Anschließend werden die eigenen Gefühle benannt: „Es fällt mir sehr schwer das mit anzusehen und ich fühle mich hilflos und das macht mich wütend.“
3.       Und dann das eigene Bedürfnis: „Ich würde dir gerne helfen, aber ich weiß nicht was und wie.“
4.       Abschließend wird noch eine konkrete Bitte formuliert: „Bitte sag mir ehrlich, ob du dir von mir Hilfe erhoffst und wie diese konkret aussehen soll. Dann kann ich besser entscheiden ob ich dir in dieser Form helfen kann.“

(Eine echte Bitte ist übrigens immer offen. Sie lässt dem anderen die Möglichkeit nicht darauf einzugehen.)

Ich empfinde bestimmte Menschen auch deshalb als schwierig, weil sie häufig meine Grenzen überschreiten. Sie sagen oder tun Dinge, die ich als unangemessen empfinde. Doch persönliche Grenzen sind individuell und völlig subjektiv. Deshalb liegt es in meiner Verantwortung sie klar zu formulieren und zu setzen. 

Grenzen zu benennen und sie zu beschützen kann folgendermaßen gehandhabt werden:
1.       Ich kann den anderen freundlich und klar auf eine Grenze aufmerksam machen: „Fällt dir auf, dass du dich gerade eingemischt hast, obwohl ich gar nicht mit dir gesprochen habe?“
2.       Ich kann eine konkrete Bitte formulieren: “Das betrifft dich jetzt nicht. Kannst du dich bitte da raus halten?“
3.       Oder eine noch deutlichere Forderung stellen: „Ich erwarte von dir, dass du mich ausreden lässt und mir zuhörst.“
4.       Letztendlich hilft manchmal nur Konsequenzen zu ziehen: „Da du dich weiterhin in unser Gespräch einmischt möchte ich es lieber an einem anderen Ort ohne dich fortsetzen.“

Ich bin nicht besser als andere. Vor allem lasse ich vieles viel zu lange zu und unterstütze dadurch ungesunde Beziehungsmuster und krankmachende Systeme. Und ich bin auch und mindestens genauso schwierig für andere. Was nicht bedeutet, dass ich mich unbedingt falsch verhalte. Sondern das ich ihre Bedürfnisse nicht erfülle. Wenn jemand mit mir unzufrieden ist und das auch benennt, sagt das zunächst etwas über ihn und seine Bedürfnisse aus. Das kann ich zunächst einmal wahrnehmen und mich dann fragen, ob ich seine Bedürfnisse erfüllen kann und möchte. 

Diese „Impulse, besser mit schwierigen Menschen auszukommen“, habe ich dem gleichnamigen Impulsheft von Kerstin Hack entnommen. Ich war sehr froh es zur Hand nehmen zu können, als ich es dringend brauchte und diese wertvollen Gedanken knapp und präzise dort formuliert zu finden.


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