Sonntag, 17. August 2014

Handicap


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Eine kleine, harmlose Erkrankung in den letzten Wochen hat mir sehr zu denken gegeben: In der rechten Hand hatte ich plötzlich - im wahrsten Sinn des Wortes über Nacht, eine Sehnenentzündung. Ich werde morgens mit Schmerzen wach und auf dem Handrücken ist eine dicke, heiße Beule, die am Abend vorher noch nicht da war. Also musste nach Arztbefund die Hand gesalbt, gekühlt und geschont werden. Nix Hausarbeit. Juhu! Aber auch nix mehr mit Schreiben.

Einen Stift halten ging gar nicht. Und das ist echt schlimm für mich. Natürlich hatte ich jetzt viel Zeit zum Lesen. Aber einerseits war ich ungeduldig, hibbelig und gereizt. Andererseits lese ich viele Sachbücher und unterstreiche darin dauernd. Und schreibe ganz viel für mich heraus. Und unterstreiche. Das konnte ich jetzt nicht mehr.
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Am PC schreibe ich, dank Schreibmaschinenkurs, mit zehn Fingern. Das ging natürlich auch nicht mehr. Ich habe mich darin geübt die Maus mit links zu bedienen, aber das machte keinen Spaß. Und so wurde ich kurzfristig und vorübergehend aus dem Schreib-Verkehr gezogen. Das hat mir ganz schön zu schaffen gemacht.

Wenn auf einmal ein elementares Bedürfnis nicht mehr befriedigt werden kann ist es ganz schnell vorbei mit Leidensfähigkeit, Dankbarkeit und Gotteslob. Ich war so was von verquer, unleidlich und ungeduldig. Was, bitte schön, hat es für einen Sinn, wenn ich meine Hausarbeit nicht machen brauche, aber stattdessen nicht meinem Lieblingshobby nachgehen kann? Wozu und warum? Natürlich ist keine Krankheit wünschenswert, aber ich hätte lieber ein gebrochenes Bein gehabt. Dann hätte ich wenigstens eine offensichtliche Entschuldigung für mangelnde Bewegung!

In dieser Zeit konnte ich mich selbst nicht leiden. Und ich gebe es nicht gerne zu, aber ich würde gerne von mir sagen können, dass ich ohne zu meckern mein Kreuz getragen habe. Und dankbar für die mir auferlegte Prüfung gewesen bin. Aber davon war weit und breit nichts zu sehen. Fragt meine Familie! Ich hätte ja immer noch so vieles - mit links - machen können: mit den Kindern spielen, lesen, Spazieren gehen, einfach in den Tag hineinleben, ... Oder wenigstens beten. Ohne Händefalten - aber beten. Doch das ging gar nicht. Denn meine Verbindung zu Gott war durch meinen Groll unterbrochen.

Diese einhändige, linkische Zeit hat mir erschreckend deutlich gemacht wie schnell meine frommen Glaubensüberzeugungen belanglos werden wenn Kleinigkeiten mein Leben unbequemer machen. Wenn mein vermeintliches Recht auf Gesundheit oder zumindest auf die Ausübung von elementaren Bedürfnissen eingeschränkt ist. Ich war nicht nur von mir selbst genervt, sondern auch sehr über mich erschrocken. Was bin ich und wer bin ich, wenn das was mich (vermeintlich) ausmacht, wegfällt?! Schreiben ist so sehr Teil meiner Persönlichkeit geworden, dass ich ganz ordentliche Probleme habe, wenn es "unbeschreiblich" wird. Und damit meine ich nicht nur das Bloggen im Internet. Das ist ja nur ein kleiner Bereich meiner Schreibkultur. Auf den könnte ich, sicherlich mit etwas Traurigkeit, verzichten.
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Cogito ergo sum - ich denke, also bin ich. Das sagt Descartes. Bei mir ist das eher so: ich schreibe - dabei denke ich. Die Gedanken schwirren in meinem Kopf wie ein Schwarm aufgescheuchter Bienen. Durch das Schreiben fange ich sie ein. Und sortiere sie - meistens aus.

Wie Dumbledore sein Denkarium hatte (Harry Potter Fans wissen was ich meine) habe ich meine Zettel und Notizbücher. Mein Stift wird zum Zauberstift und holt die Gedanken aus meinem Kopf raus aufs Papier. Bei Bedarf kann ich sie dann ja wieder hervorholen.

http://de.harrypotter.wikia.com
So erweist sich eine simple Sehnenerkrankung als doch recht schwierig. Es treten unvorhergesehene Komplikationen ein. Doch nicht die Hand musste amputiert, sondern mein Denken korrigiert werden. Gott hat mir eindeutig und konkret die Wahrheit über mich selbst gezeigt. Um nochmal Harry Potter zu bemühen: so wie der Spiegel Nerhegeb dem Betrachter seinen sehnlichsten Wunsch zeigt, so hat Gott mir gezeigt wie abhängig ich von äußeren Hilfsmitteln bin. Und wovon meine Selbstwahrnehmung und -bestätigung bestimmt wird. Damit will ich nicht sagen, dass Schreiben an und für sich schlecht wäre oder ich meine von Gott geschenkte Gabe nicht mehr ausleben oder genießen dürfte. Aber ich darf und möchte die Gabe nicht mehr lieben als ihren Geber. Und die Gefahr besteht. Immer, auch bei allem Guten. Im Nachhinein bin ich dankbar - denn um eine Erfahrung reicher.

In der ganzen Zeit ist mir natürlich auch bewusst gewesen, dass mein Problem einerseits nur "mein" Problem war und eigentlich keins hätte sein dürfen. Aber so ticken wir Menschen - ich jedenfalls: Während woanders zivile Flugzeuge vom Himmel geschossen werden und Menschen flüchten, hungern, leiden müssen, pflege ich meine Zipperlein und meine Befindlichkeit. Gebe ich mich Selbstmitleid hin und verachte mich gleichzeitig dafür.

Gott sei Dank! ist Gott trotzdem mit mir geduldig und begegnet mir mit großer, unverdienter Liebe und Treue. Gott sei Dank! zeigt er mir mein wahres Ich und hilft mir dabei meinem eigentlichen Ich ein kleines Stückchen ähnlicher zu werden.

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